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Verletzungsdokumentation

§ 51 österr. Ärztegesetz und Art. 21 ital. Ärztegesetz verpflichten jede Ärztin und jeden Arzt zur Dokumentation. Auch ist der Patientin/dem Patienten auf ihren/seinen Wunsch hin Einsicht in die Krankenunterlagen zu gewähren (Art. 21 ital. Ärztegesetz).

 

Die Dokumentation beginnt mit der Anamnese, die möglichst ohne Begleitperson erfolgen sollte. Der Täter will häufig als Begleitperson bei der Patientin bleiben! Eine mögliche Außenanamnese muss auch Auskünfte dritter Personen sowie deren Namen enthalten.  Persönlichen Anmerkungen hingegen sind fehl am Platz.
Die Anamneseerhebung stellt sich oft als schwierig dar, da möglicherweise widersprüchliche Angaben getätigt werden. Auch solche Widersprüche müssen wertfrei dokumentiert werden. Die Bewertung dieser Angaben ist keine Aufgabe der behandelnden Ärztinnen/Ärzte. Wichtig ist es, auf frühere Krankenhausaufenthalte und Arztbesuche einzugehen, da oft verschiedene medizinische Einrichtungen aufgesucht werden (häufig wechselnde Ärztinnen/Ärzte, verschiedene Ambulanzen, umliegende Krankenhäuser).
Bei einer etwaigen Gerichtsverhandlung kann die Genauigkeit der Dokumentation außerordentlich wichtig sein. Aufgrund der meist langen Zeitspanne zwischen Vorfall und Gerichtsverfahren ist die Exaktheit der schriftlichen Aufzeichnungen ausschlaggebend. Viele Opfer sind erst nach mehreren Übergriffen in der Lage, geeignete Schritte einzuleiten, sodass für die Überprüfung der Angaben potenzieller Opfer medizinische Aufzeichnungen extrem hilfreich sind.
Die Dokumentation soll den anamnestischen Angaben folgen. (z. B.: Ich bin an den Haaren gerissen worden – Zustand der Kopfhaut). Auch Hinweise auf frühere Verletzungen (neben den frischen Hämatomen befinden sich solche, die im Abklingen sind; Narben etc.) sind festzuhalten. Hier finden Sie ein Körperschema, in dem die Befunde eingezeichnet werden können. (Bitte beachten Sie dabei, dass in Kliniken/Krankenhäusern von der ärztlichen Leitung/Direktion evtl. andere Formulare zur Verwendung vorgeschrieben sein können!)
Eine zusätzliche Fotodokumentation entspricht dem aktuellen Qualitätsstandard. Achten Sie darauf, dass die abgebildete Person erkennbar ist und Verletzungen der jeweiligen Person sowie einer Körperregion zugeordnet werden können. Dies gilt besonders für Detailaufnahmen (Bisswunde, Abwehrverletzungen an den Unterarmen, petechiale Blutungen nach Würgen etc.). Bei Detailaufnahmen ist ein Maßstab wichtig, um das Größenverhältnis einschätzen zu können.
Findet eine Spurensicherung statt, ist dies gesondert zu dokumentieren. (Siehe auch: Spurensicherung)
Neben physischen Folgen einer Misshandlung sind häufig psychische Folgen zu erheben. Eine Dokumentation psychischer Störungen und Beschwerdebilder ist ebenfalls notwendig.
Das Gefährdungspotenzial, mögliche Anzeigen, Informationen über Institutionen oder das Aushändigen von Broschüren sind festzuhalten. Absoluter Handlungsbedarf ist bei Selbst- oder Fremdgefährdung gegeben. Interventionen sind gesetzlich obligatorisch bei Minderjährigen. Fragen Sie immer nach weiteren Personen, vor allem Kindern, in einem gemeinsamen Haushalt, da diese meist mitbetroffen sind! (Siehe auch: Gewalt am Kind und Miterlebte Gewalt)
Die ärztliche Anzeige- und Meldepflicht ist in § 54 österr. Ärztegesetz und in den Art. 331, 334 ital. Strafprozessordnung festgehalten. (Siehe auch: Gesetzliche Grundlagen: Österreich sowie Gesetzliche Grundlagen: Italien) Das genaue Vorgehen bei Erstattung einer Anzeige ist in Tiroler Krankenhäusern durch die jeweilige kollegiale Führung festgelegt.

Migrationshintergrund:
Bei potenziellen Gewaltbeziehungen und Sprachbarrieren ist häufig das Zuziehen einer Dolmetscherin/eines Dolmetschers notwendig. Personen aus dem direkten Umfeld (Angehörige, Freunde, Bekannte) sind nicht geeignet, hier Übersetzungstätigkeiten zu übernehmen. (Siehe auch: Patientinnen mit Migrationshintergrund)