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Hauskrankenpflege

Die meisten pflegebedürftigen Frauen und Männer werden in der Hauskrankenpflege gut betreut. Pflegende Personen sind mit der oft langjährigen Pflege einer/eines nahen Angehörigen häufig überfordert.

 

Dieser Artikel widmet sich den Gewaltbetroffenen, welche unter anderem durch Fachpersonen zu Hause gepflegt werden. Er erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, da das Thema der Hauskrankenpflege und der Diagnose Gewalt in diesem Nahbereich sehr komplex ist; es soll hier speziell zum genannten Bereich sensibilisiert werden. Ein reflektierter Umgang mit dem Tabuthema könnte helfen, betroffenen Familien durch das interdisziplinäre Team die Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen, die sie benötigen.
Das unmittelbare Miterleben von Misshandlungen oder auch der Verdacht auf Gewalthandlungen gegenüber Pflegebedürftigen ist besonders für Fachpersonen sehr belastend und löst oft Wut, Ohnmacht, Angst und Überforderung aus. Da man in der Hauskrankenpflege der Situation vor Ort in den meisten Fällen allein gegenübersteht, ist es besonders empfehlenswert, sich Unterstützung (je nach Situation) per Telefon zu organisieren. Beim Verdacht auf Gewalthandlungen durch pflegende Angehörige oder auch Laienbetreuer/innen ist es ratsam, die Betroffenen nicht sofort mit dem Verdacht zu konfrontieren, sondern sich erst mit der Pflegedienstleitung und dem Hausarzt zu besprechen. Der Verdacht kann sich auch als ungerechtfertigt herausstellen, deshalb ist behutsam vorzugehen. Hinweise zur Gesprächsführung sind im allgemeinen Teil angeführt. Pflegediensten, Hausärzten, Nachbarn, aber auch weiteren Angehörigen können Gewalthandlungen auffallen. Gewalt muss hierbei nicht immer aktiver Natur sein.
Besonders betroffen sind ältere, multimorbide Menschen (siehe auch: Gewalt gegen ältere Menschen), die in ihrer Bewegungsmöglichkeit eingeschränkt sind und bei denen demenzielle Symptome erschwert hinzukommen, betont auch Thomas Frühwald, Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Geriatrie. Daher ist speziell bei solchen Personen auf Alarmzeichen zu achten, welche sich in verschiedenen Symptomen zeigen können (siehe auch: Indikatoren). Als schwierig zu erkennen erweisen sich z. B. der Missbrauch von Medikamenten, die Verweigerung der Kommunikation, die bewusste Isolierung von Freunden, Bekannten oder die Wegnahme des Telefons.
Pflegende Angehörige sind häufig überlastet mit der oft langjährigen Pflege einer/eines nahen Angehörigen. Beziehungskonflikte, Rollenumkehr, Ängste, soziale Isolation des pflegenden Angehörigen, Unwissenheit über die Erkrankung, die Pflege und Unterstützungsangebote und andere Belastungen können sich auch als Symptom einer Überlastung in Form von Gewalttaten äußern. Hauskrankenpflege kann hier auch präventiv tätig sein, indem Fachpersonen Unterstützung anbieten und über Angebote informieren. Es fällt Angehörigen nicht immer leicht, Hilfe anzunehmen, deshalb ist es umso wichtiger, diese mehrmals anzubieten und die Angehörigen – soweit möglich – immer wieder darin zu unterstützen, auch an sich selbst zu denken und sich Gutes zu tun. Besonders sei hier noch einmal betont, wie wichtig es ist, Sicherheit zu erlangen, wenn der Verdacht einer Gewaltanwendung durch Angehörige vorliegt. Bei einem solchen Verdacht oder der offensichtlichen Misshandlung durch Angehörige ist alles genau zu dokumentieren und mit dem Vorgesetzten, dem Team und dem betreuenden Hausarzt zu besprechen, damit das weitere Vorgehen geplant werden kann. Im Vordergrund dieser Planung steht die Sicherheit der Betroffenen. Patentrezept gibt es hier keines; entscheidend ist, in Verdachtssituationen hinzuschauen, die Situation anzusprechen und zu handeln. Alles andere wäre fahrlässig.


Ein Beispiel:

Wenn ein Sohn „gut gemeint“ seine 78-jährige demenzkranke Mutter, nachdem sie von der Hauskrankenpflege gewaschen und angezogen wurde, für die Zeit, während er in der Arbeit ist, am Wohnzimmersessel festbindet, muss dies den Fachpersonen nicht sofort auffallen. Die Hauskrankenpflege kommt am Morgen um 7.00 Uhr und übernimmt die Körperpflege bei Frau X; um 7.40 Uhr ist die Hauskrankenpflege wieder aus dem Haus. Herr X, der Sohn von Frau X, bindet seine Mutter kurz darauf am Lehnstuhl fest, stellt ihr Essen und Getränk bereit, schaltet ihr den Fernseher ein und geht zur Arbeit. Die Pfleger/innen der Hauskrankenpflege bemerken Rötungen in der Abdominalregion und eine zunehmende Unruhe von Frau X.
Da Frau X demenzbedingt nichts dazu sagen kann, wird Herr X gefragt, ob er wisse, wie seine Mutter zu diesen Verletzungen gekommen sei. Er sagt sofort, dass das vielleicht vom Festbinden komme und dass er das tun müsse, weil seine Mutter sonst Elektrogeräte einschalte und vergesse, diese auszuschalten; auch das Badezimmer sei schon unter Wasser gestanden. Durch Gespräche seitens der Hauskrankenpflege wird Herrn X bewusst, dass seine Lösung des Festbindens nicht die ideale ist. Da er nicht will, dass seine Mutter in einem Heim lebt, hat man sich darauf geeinigt, dass Frau X von Montag bis Freitag um 7.30 Uhr abgeholt wird, um in einer Tageseinrichtung sicher und gut betreut zu werden. Um 17.00 Uhr kommt sie wieder nach Hause. Diese Lösung ist derzeit für Herrn X und seine Mutter die beste. Er wird auch für zwei Wochen in Urlaub fahren. Seine Mutter fährt in dieser Zeit ebenfalls in Urlaub. Diese Möglichkeit ist speziell für demenzkranke Menschen organisiert worden, die dabei von Fachpersonen betreut werden. Danach wird Herr X von seiner Tante aktiv in der Betreuung seiner Mutter unterstützt werden.

In diesem Beispiel zeigt sich der Angehörige äußerst kooperativ, dies muss nicht immer so sein.