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Gewalt an älteren Menschen

Die Auseinandersetzung mit der immer noch stark tabuisierten Thematik „Gewalt gegen alte Menschen“ – nur extreme Beispiele dringen an die Öffentlichkeit – und die Berücksichtigung präventiver Ansätze in diesem Bereich zeigen einen steigenden Informations- und Handlungsbedarf (u. a. im Gesundheitsbereich) auf.

 

Alte FrauGewalt entsteht in Pflegebeziehungen meist, wenn diese von großer Abhängigkeit geprägt sind; häufig kommt mangelndes Wissen über Alter und Krankheitsbilder wie z. B. Demenzerkrankungen hinzu. (Siehe auch: Hauskrankenpflege)
Nach einer Untersuchung des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz 2009 (1) werden am häufigsten aus dem privaten Nahbereich von Familie und Nachbarschaft Beschwerden über Missstände laut. Von den 247 befragten Stellen, die mit Problemen älterer Menschen konfrontiert sind, hat nur jede zehnte mit solchen Fragen überhaupt nichts zu tun. Die am häufigsten an diese Einrichtungen herangetragenen Beschwerden und Probleme beziehen sich auf die finanzielle Ausbeutung und fast ebenso oft auf grobe Beschimpfungen und Drohungen, gefolgt von Missständen im Sinne von Verwahrlosung.

Zwei Begriffe müssen bei der weiteren Beschäftigung mit der Problematik „Gewalt gegen alte Menschen“ definiert werden:
1. das Alter des Opfers und
2. was unter der Gewalt gegen diese Personengruppe verstanden wird

Beide Begriffe besitzen eine Vielzahl von Konnotationen.
Bei der Frage nach dem Alter eines Menschen bzw. danach, in welchem Lebensalter ein Mensch sich selbst als alt bezeichnet oder von der Gesellschaft so angesehen wird, können mehrere Ebenen genannt werden:
Biologisch betrachtet beginnt beim Menschen nach dem Klimakterium (etwa ab dem 46. Lebensjahr) die Rückentwicklung mit Alterserscheinungen. Hierzu gehört nicht nur das erhöhte Risiko bestimmter Krankheiten, sondern auch die Verringerung bestimmter biologischer Merkmale (Nierendurchblutung, Mineralgehalt der Knochen, Anzahl der Nervenfasern etc.).
Gesellschaftspolitisch ist das Alter stark an die Arbeitskraft des Menschen gebunden und beginnt demnach um das 65. Lebensjahr herum.
Ein Blick auf empirische Untersuchungen zur Problematik der Gewalt gegen alte Menschen zeigt, dass diese zumeist ab einem Lebensalter von etwa 60 bis 65 Jahren von alten Menschen sprechen.

Das Committee on National Statistics (2) nennt, basierend auf empirischen Daten, fünf Hauptformen der Gewalt gegen alte Menschen:

  • physische Handlungen, welche Schmerz oder Verletzung verursachen
  • Handlungen, welche emotionales Leid oder psychischen Schaden anrichten
  • sexuelle Übergriffe
  • finanzielle Ausbeutung
  • Vernachlässigung, Verwahrlosung (Gewalt als Ergebnis der Unterlassung bestimmter [notwendiger] Handlungen)


Wie in der bereits erwähnten Studie des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (1) beschrieben ist, wurden an die befragten Stellen am häufigsten Fälle von finanzieller Ausbeutung herangetragen, wie z. B. Entwendung von Geld oder Sachen, Erpressung, Erbschleicherei, knapp gefolgt von grober Beleidigung, Beschimpfung und Drohung, geringer waren die Beschwerden hinsichtlich Missbrauch von Medikamenten und Fälle von Verwahrlosung.

Bei Johnson (3) finden sich vier Hauptrichtungen der Gewaltanwendung gegen alte Menschen:

  • körperliche Misshandlung (Medikamentenmissbrauch, Beeinträchtigung, tätlicher Angriff)
  • psychische Misshandlung (Demütigung, Quälen, Manipulation)
  • soziale Misshandlung (Isolation, Beeinträchtigung des Lebensraums)
  • rechtliche Misshandlung (materieller Missbrauch, Diebstahl) (3)


Vernachlässigt wird bei diesen Definitionen die Dimension der strukturellen und kulturellen Gewalt.

Die Bonner HsM-Studie (4) stellt fest, dass ca. 10 % der Menschen über 60 in den letzten fünf Jahren Gewalterfahrungen im häuslichen Bereich gemacht haben. So betont auch Wild (5), dass die meisten Statistiken bei Gewalt gegen ältere Menschen eine Rate von bis zu zehn Prozent nennen und eine hohe Dunkelziffer vermuten.
In erster Linie wurden seelische Misshandlungen und finanzielle Schädigungen berichtet. Die Folgen der Gewaltereignisse lagen vorwiegend auf psychisch-emotionaler Ebene. Verheiratete und gesundheitlich eingeschränkte Menschen waren häufig von Gewalterfahrungen betroffen.

Literatur:
(1) Vgl. Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz: Übergriffe, Gewalt und Aggression gegen ältere Menschen. Wien: 2009.
(2) Vgl. CNSTAT – Committee on National Statistics (Hrsg.): Elder Mistreatment: Abuse, Neglect, and Exploitation in an Aging America. Washington: 2003. S. 35.
(3) Vgl. Johnson T. F.: Elder mistreatment: Deciding who is a risk. Westport: Greenwood Pub Group, 1991.
(4) Vgl. Hirsch R. D., Brendebach C.: Gewalt gegen alte Menschen in der Familie: Untersuchungsergebnisse der Bonner „HsM-Studie“. In: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 32, 1999, S. 449–455.
(5) Vgl. Wild M., Rotkreuz-Expertin für Pflege und Betreuung, anlässlich der Tagung „Breaking the Taboo“ am 18. 3. 2009 in Wien. Bericht zur Tagung (Stand: 28. 2. 2010).