Indikatoren physischer Gewalt
Allgemeine Indikatoren, die direkt infolge physischer Gewalt auftreten, sind zumeist leichter zu erkennen. Es sind dies:
1. Traumatische Läsionen:
Abschürfungen, Kratzer, hämorrhagische Rötungen, Hämatome, Platzwunden, Schnittwunden, Verbrennungen, Bissverletzungen (halbrunde Quetschungen) im Kopf-, Gesichts-, Hals-, Thorax-, Abdomenbereich, an den Extremitäten. Knochenbrüche (Kieferknochen, Jochbein, Nasenbein, Rippen), Zahnverlust und Verrenkungen. Verletzung des Trommelfells; Bindehautblutungen, subkonjunktivale Blutungen, Netzhautblutungen, Netzhautablösung, Organverletzungen (Milz, Leber etc.).
2. Besondere Verletzungsarten:
Verletzungen an nicht sturz- oder anstoßtypischen Körperregionen: Einrisse der Ohrläppchen (Ziehen am Ohr), hinter der Ohrmuschel, Lippen (Innenseite – Widerlager), Oberarme – Griffspuren (Zupack-, Halteverletzungen), Unterarmaußenseite, Handrücken (passive Abwehrverletzungen), Rücken (Widerlager), Hand- und Fußgelenke (Fesselung); geformte Verletzungen (wie Abdrücke auf der Haut von Seilen, Stöcken, Schnallen, Gürteln), Würgemale, Stauungsblutungen in Augenbindehäuten/Mundschleimhaut, Trommelfelleinriss (Ohrfeige), Blow-out-Fraktur (Fausthieb), Hitzeschädigungen (Verbrühungen, Zigarettenglut), stumpfes Bauchtrauma, umschriebene Haarausrisse.
3. Radiologische Veränderungen (v. a. bei Kindern):
Frakturen ohne adäquates Trauma, Rippenfrakturen, schlecht verheilte Frakturen, metaphysäre Läsionen (z. B. Korbhenkelfrakturen), subperiostale Blutungen mit Verkalkungen, PNX.
4. „Suggestive Gewaltindikatoren“: Gleichzeitiges Auftreten von Verletzungen in mehreren Körperregionen; bilaterale Verletzungen; mehrere Verletzungen der gleichen Art; multiple Verletzungen in verschiedenen Heilungsstadien, die auf traumatische Vorfälle hinweisen und zu verschiedenen Zeiten entstanden sind; widersprüchliche Beschreibung des Vorfalls im Hinblick auf die vorhandene Verletzung (Unfall im häuslichen Umfeld); tiefe Verletzungen, die schlecht vernarbt sind (Es könnte der Patientin verboten worden sein, diese ärztlich versorgen zu lassen.); häufige Visiten.
5. Unspezifische, vage Symptome: Bspw. Asthenie; Bewusstseinsstörungen und Appetitlosigkeit; Angstzustände, Depressionen; Palpitationen, Parästhesien; Dyspnoe – Hypoventilation; Thoraxschmerzen, Schmerzen im Abdomenbereich, Schwindel; vage, diffuse, chronische und unspezifische Symptome; Verdauungs- und gastrointestinale Störungen; Fibromyalgie und Osteomyalgie, neurologische, kardiale Beschwerden, Atemprobleme, Kopfschmerz, chronische Schmerzen (sog. Chronifizierungsprozesse).
6. Indikatoren sexualisierter Gewalt: Rezidivierende vaginale Infektionen, Regelblutungsstörungen, diffuse und/oder rezidivierende Unterleibs- und Bauchbeschwerden ohne abklärbare Ursache, rezidivierende Harnwegsinfekte und Miktionsbeschwerden ohne fassbaren Befund. Vaginale und/oder anale Verletzungen; Condylomata im Rectum; Hämatome an der Innenseite der Oberschenkel oder an den Armen (Griffspuren), Widerlagerverletzungen am Rücken (Schulterblätter, Kreuzbein); sexuell übertragbare Erkrankungen (z. B. HIV/Aids, Condylomata); ungewollte Schwangerschaften, Fehlgeburten, Schwangerschaftsabbruch.
Alle genannten Symptome sind als bedeutende Indikatoren anzusehen, v. a., wenn eine organische Ursache der Beschwerden/Verletzungen ausgeschlossen werden kann. Außerdem ist zu beachten, dass lang andauernde Gewaltsituationen, Stress oder die Nichteinnahme von Arzneimitteln chronische Krankheiten verschlimmern können.