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Interview mit Frau Dr. Doris Schöpf

Frau MR Dr. med. univ. Doris Schöpf, Ärztin für Allgemeinmedizin in Schwaz, im Gespräch über häusliche Gewalt und ihre Erfahrungen mit gewaltbetroffenen Patientinnen und Patienten.
Interview mit Frau Dr. Doris Schöpf

Dr. Doris Schöpf

 

Seit wann sind Sie als Allgemeinmedizinerin in Ihrer eigenen Praxis tätig?

Frau Dr. Schöpf: Seit 1983.

Sie haben sicherlich auch Menschen in Behandlung gehabt, die Gewalt erfahren haben. Wie ist Ihr erstes Handeln, wenn sie von Häuslicher Gewalt erfahren, wenn ein Patient oder eine Patientin zu Ihnen kommt, der/die Ihnen erzählt, dass er/sie daheim bzw. vom Ehemann/der Ehefrau geschlagen wird?

Frau Dr. Schöpf: Wenn akut etwas gewesen ist, ist das Erste, mir anzuhören, was wie passiert ist; anschließend führe ich eine gründliche körperliche Untersuchung durch, wenn möglich mit Fotodokumentation, wobei ich die Fotos aufbewahre. Darüber sind die PatientInnen im Allgemeinen sehr froh. Dann folgt die Empfehlung an die Patientin, eine Anzeige zu erstatten.

Können Sie sich an die erste Betroffene von Häuslicher Gewalt in Ihrer Praxis erinnern oder gibt es ein Beispiel, das sie nachhaltig beschäftigt hat?

Frau Dr. Schöpf: Ja, eigentlich zwei. Das erste Mal war es auf der Unfall-Ambulanz, als Turnusärztin. Das war eine Patientin, die mich sehr lange beschäftigt hat. Sie ging nach zwei Tagen wieder zu ihrem gewalttätigen Partner zurück. Die zweite Patientin erlebte ich dann dann in meinen ersten Praxisjahren.– Da konnte ich beim ersten Mal gar nichts machen , weil ich zwar den Verdacht hatte, dass die Verletzung von ihrem Mann stammte-die Patientin jedoch nie etwas zum Verletzungshergang sagen wollte. Sie war nicht dazu zu bewegen. Da es später zu offensichtlicheren Verletzungen gekommen ist und sie mir dann auch alles erzählt hat, habe ich ihr eindringlich zu einer Anzeige geraten. Sie hatte bereits früher eine Anzeige gemacht, sie aberwieder zurückgezogen. (Das war lange, bevor es die Möglichkeit der Wegweisung überhaupt gegeben hat). Ich habe ihr dann einfach angeboten: Wenn es Probleme gibt, kann sie sich jederzeit an mich wenden.Eines Tagesist sie um 4.00 Uhr morgens im Pyjama, mit ihrer Tochter am Arm, vor der Tür gestanden. Die Frauenhäuser waren voll, besser gesagt: das eine Frauenhaus, das es damals schon gegeben hat.Sie hat dann einige Zeit bei uns verbracht. Es gab einfach keine andere Möglichkeit. Die Angst ihrer Eltern und ihrer Freundin vor dem gewalttätigen Ehemann war schon so groß, dass sie sich auch dort nicht verstecken konnte. Ich habe die Polizei hergeholt. Die Beamten haben sehr gut reagiert –Der Ehemann war schon amtsbekannt und wurde dann am nächsten Tag verhaftet. . Auch ohne das Einverständnis der Patientin hätte ich in diesem Fall eine Anzeige gemacht, weil auch das Kind betroffen war.

Sie haben ja mehrere betroffene Patienten, Patientinnen gehabt – was sind die häufigsten Arten der Häuslichen Gewalt, die vorgekommen? Rein physische oder auch sexualisierte oder psychische Gewalt, die dann vielleicht ins Psychosomatische geht?

Frau Dr. Schöpf: In erster Linie bin ich als Ärztin mit der physischen Gewalt konfrontiert: Die psychische Gewalt ist m.E. schwerer nachzuweisen.

Es gibt aber etliche Frauen die unter enormen Druck zu Hause stehen. Das sind meist Beziehungen, in welchen die Männer zwar nicht körperlich gewalttätig werden, aber bei jeder Kleinigkeit ausrasten und ihre Frauen extrem unter Kontrolle halten. Diesem Druck können die betroffenen Frauen nur schlecht entkommen manchmal auch gar nicht.

Eine Möglichkeit ist in diesen Fällen die Psychotherapie, durch welche sie eine gewisse Stärkung erfahren und sie sich dann auch wirklich aus einer Beziehung befreien können.

Gibt es eine Häufigkeit hinsichtlich des Alters der Betroffenen oder des Geschlechts, wo Sie sagen, das fällt Ihnen auf, eine bestimmte Altersgruppe, oder dass ältere oder jüngere Frauen eher seltener betroffen sind?

Frau Dr. Schöpf: Es ist bei sehr jungen Frauen selten bzw. kommen diese zumindest nicht zu mir. Auch erinnere ich mich an keine Frau über 60 Jahre in diesem Zusammenhang. Aber in der Altersgruppe der 30 bis Mitte 50 jährigen habe ich einige gewaltbetroffene Patientinnen behandelt.

Kommt Ihnen vor, dass die Frauen, die Ihnen das schildern, in langen Beziehungen sind oder ist der Täter oft ein neuer Partner?

Frau Dr. Schöpf: Die meisten betroffenen Frauen, die ich in meiner Praxis ich kennengelernt habe, waren schon in längeren Beziehungen. Eigentlich immer Ehepaare. Nur einmal war eine jüngere Frau bei mir mit der Problematik häusliche Gewalt. Ihr Hausarzt war auf Urlaub.

Haben Sie das Gefühl, dass die Patientinnen, Patienten über erlebte Gewalt zu Ihnen als Ärztin offen sprechen bzw. zumindest, wenn es keine schwere Körperverletzung ist – denn da gibt es ja die Anzeigenpflicht –, wissen sie natürlich, dass Sie verschwiegen sein müssen.

Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Arztpraxis ein geschützter Raum ist für die PatientInnen?

Frau Dr. Schöpf: Das ist sie sicher. Die betroffenen Patientinnen möchten auch nicht, dass jemand etwas mitbekommt; auch nicht meine Assistentin. Ich habe auch Möglichkeiten, dass man dann einfach ungestört bleibt. Erstens sind die Türen gepolstert und zweitens habe ich einen Schalter, wenn ich diesen einschalte, leuchtet draußen ein rotes Licht, welches anzeigt, dass ich ungestört sein möchte oder ich gehe kurz hinaus und sage, dass ich in den nächsten 20 Minuten keine Störung will.

Sprechen Sie Patientinnen von sich aus an, wenn sie es sehen – bei einschlägigen Verletzungen, dass sie dann auch fragen, ob das von einem Schlag sein kann?

Frau Dr. Schöpf: Ich war noch nie in dieser Situation. Wahrscheinlich habe ich auch im Laufe der Zeit einiges übersehen, aber ich würde es ansprechen. Auch wirklich ohne Hemmungen. Ich spreche es auch bei Kindern an, wenn ich einen Verdacht habe.

Wie ist es bei Ihnen als Ärztin, bleibt da auch die Zeit, die Patientinnen, Patienten über Unterstützungsangebote aufzuklären, zu sagen, was es da noch gebe?

Frau Dr. Schöpf: Ja, absolut.

Haben Sie das Gefühl, dass die Patientinnen, Patienten, die zu Ihnen kommen, die eventuell betroffen sind von Gewalt, davor schon von Unterstützungsangeboten gewusst haben, oder kommen ganz viele, die gar nicht wissen, was es alles geben würde?

Frau Dr. Schöpf: Gut, so viele betroffene PatientInnen sind es nicht. Also vom Frauenhaus haben sie alle schon etwas gehört. Über andere Unterstützungsangebote eher weniger. Es hat sich natürlich in den letzten Jahren einiges getan. Die PatientInnen wissen auch über gesetzliche Schutzmaßnahmen- wie die polizeiliche Wegweisung –Bescheid. Das spricht sich offensichtlich schon herum.

Wo sehen Sie noch Aufklärungs- und Handlungsbedarf. Wo hätten sie als Ärztin noch gern Unterstützung?

Frau Dr. Schöpf: Für mich als Ärztin sehe ich eigentlich keinen weiteren Unterstützungsbedarf.

Aber ich denke, dass man schon in den Schulen mit der Sensibilisierung anfangen sollte: also ganz früh, vermitteln, dass Gewalt nicht in Ordnung ist. Es gibt immer noch viele Kinder die zu Hause geschlagen werden. Es ist äußerst wichtig, dass bei diesen jungen Menschen eine absolute Bewusstseinsbildung passiert, dass es ein Leben ohne Gewalt gibt und man etwas dafür tun kann, und wer Unterstützung bieten kann.

Je früher man anfängt, umso besser!


 

Hier finden Sie den Vortrag zur Anzeige- und Meldepflicht von Frau Dr. Schöpf.