Hinweise auf Gewaltanwendung
Gewaltanwendungen am Kind sind Ausdruck eines multifaktoriellen Geschehens. Es ist schwierig, eindeutige und vor allem sichere Hinweise, die auf eine Kindesmisshandlung schließen lassen, zu beschreiben. Vielmehr handelt es sich meist um ein Bündel unspezifischer Anzeichen (wie körperliche Symptome und/oder psychische Auffälligkeiten und/oder Verhaltensauffälligkeiten), die von medizinischem Personal einfühlsam wahrgenommen und mit aller Sorgfalt zum Wohle des Kindes einer Lösung zugeführt werden können.
Jedes Kind reagiert individuell unterschiedlich. Die Ausprägung der psychischen, psychosomatischen Symptome und Verhaltensauffälligkeiten wird durch Alter bzw. Entwicklungsstand des Kindes, die Intensität und zeitliche Dauer der Gewaltanwendung sowie auch durch das Naheverhältnis des Täters bestimmt. Je vertrauter der Gewalttäter ist, desto größer ist das Trauma für das Kind. Ausschlaggebend für das Ausmaß der Störung ist auch, welche Bezugspersonen für das Kind neben dem Gewalttäter noch da sind.
Im Folgenden werden mögliche Hinweise, Symptome und Risikofaktoren exemplarisch aufgelistet. Je mehr Faktoren zutreffen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, eine Gewalteinwirkung nicht ausschließen zu können.
Unspezifische Hinweise:
- Auffälligkeiten bei Bezugspersonen
- widersprüchliche Angaben zum Unfallhergang
- häufiger Arzt-/Krankenhauswechsel
- unverhältnismäßig langer Zeitraum zwischen Unfallhergang und Behandlungsbeginn
- überprotektives Verhalten
Auffälligkeiten bei Kindern:
- mangelhafter Pflegezustand
- mangelhafter Ernährungszustand
- untypische Lokalisationen von Verletzungen
- altersunspezifische Verletzungen
- sämtliche Verletzungen beim Säugling
- mehrere Verletzungen unterschiedlichen Alters
- Verletzung passt nicht zur Unfallschilderung
- Entwicklungsrückstand bzw. Entwicklungsrückschritt
- typische Misshandlungsverletzungen (siehe auch: Physische Gewalt und Indikatoren)
Risikogruppen von Seiten des Kindes:
- Unerwünschtheit
- Schreikinder
- Verhaltensauffälligkeiten
- Frühgeborene
- Fehlbildungen, Deformationen
- Entwicklungsstörungen
Risikogruppen von Seiten der Familie/des Umfeldes:
- Alkoholabusus
- nichtleiblicher Vater, Onkel, Patchworkfamilie …
- niedriger Ausbildungsstand
- Arbeitslosigkeit, niedriges Einkommen
- Persönlichkeitsmerkmale wie Aggression, Impulsivität, hoher Angstpegel …
- Akzeptanz von körperlicher Züchtigung als Erziehungsmethode
- Beziehungsprobleme
- Misshandlung in der eigenen Vorgeschichte
- Isolation von der Gesellschaft
- psychische Erkrankungen
Verhaltensauffälligkeiten
Das Verhalten eines Kindes mit Gewalterfahrung kann völlig gegensätzliche Facetten aufweisen. So kann es einerseits durch Ängstlichkeit und Rückzug, andererseits durch Aggression und erhöhte Gewaltbereitschaft geprägt sein. Jedes Kind reagiert individuell unterschiedlich auf körperliche und/oder seelische Qualen:
- extreme Ängstlichkeit
- Distanzlosigkeit gegenüber Fremden
- übertriebener Gehorsam
- apathisches Verhalten
- unerklärlicher Leistungsabfall
- Selbstverletzungen
- Mutlosigkeit
- aggressives Verhalten
- sexualisiertes Verhalten
- Schlafstörungen
- Daumenlutschen
- Nägelkauen
- Lernstörungen
Physische und psychosomatische Indikatoren:
- unklare Bauchschmerzen
- sekundäres Einnässen, Einkoten
- Schlafstörungen, Albträume
- Veränderung des Sprachverhaltens
- Gedeihstörung
- Hämatome
- Schädelhirntrauma
- Hirnblutung – Schütteltrauma (siehe auch: Shaken Baby Syndrom)
- Verbrennung/Verbrühung
- Verletzungen im Genitalbereich/Analbereich/Mundbereich
- Knochenbrüche, Prellungen, Narben
- Intoxikationen
- Geschlechtskrankheiten
Hämatome
Schädelhirntrauma
Verbrennung/Verbrühung
Vernarbung des Oberlippenbändchens
Prellungen/Narben
Maßband/Winkelmaß zur Größendarstellung
Bildquelle:
Yen, K.: Kindesmisshandlung Kindesmissbrauch. Präsentation anlässlich der 11. Jahrestagung für Kinderkrankenschwestern/Kinderkrankenpfleger in Graz, 2008.